Ausgabe 06/14 -

„Schleichender Verlust oder Rendite mit Risiko“

„Niedrigstzinsen und kein Wachstum! Bleiben für Anleger noch Handlungsspielräume?“ lautete Anfang Dezember eine Veranstaltung des Raiffeisen InvestmentClubs in Pontives/Lajen und St. Leonhard in Passeier mit dem deutschen Volkswirt Mauricio Vargas. Im Interview gibt er seine Sicht der aktuellen Situation für Sparer und Anleger wieder.

Herr Vargas, bei den historisch niedrigen Zinsen – Leitzinssatz von 0,05 % – fragen sich Sparer, ob es sich überhaupt noch lohnt, Geld anzusparen?

Mauricio Vargas: Die EZB möchte die Nachfrage ankurbeln und erhofft sich von den niedrigen Zinsen mehr Konsum und ansteigende Investitionen. Für den Sparer bleibt nur die Frage, ob er denn bereit ist, auf der Suche nach höheren Renditen auch die entsprechenden Risiken zu tragen. Ansonsten wird er leer ausgehen.

 

Warum wird Sparen heute eigentlich kaum mehr „belohnt“?

Mauricio Vargas: Wir haben hohe Schuldenstände und diese stellen ja die Kehrseite der Ersparnis dar. Wenn das Wirtschaftswachstum weiterhin niedrig bleibt, wird es immer schwerer, die hohe Schuldenlast zu tragen. In diesem Falle müssen die Sparer mit Verlusten rechnen. Im aktuellen Umfeld ist die Sinnhaftigkeit also nicht mehr eindeutig, da ein risikoloser Kapitalgewinn nicht garantiert ist. Insofern muss die Frage nach der richtigen Anlage ein jeder für sich selbst beantworten.

Jahrzehnte waren es Bankkunden gewohnt, ihr Geld sowohl sicher und lohnend angelegt zu wissen. Müssen sie nun vermehrt umdenken?

Mauricio Vargas: Während man früher vom risikolosen Zins sprach, gibt es heute nur noch ein zinsloses Risiko. Daraus folgt, dass die Suche nach Rendite und somit die Kapitalanlage komplexer geworden ist. Die Anleger müssen sich in neue Anlagesegmente wie beispielsweise Aktien oder Investitionen in Schwellenländer wagen, wenn sie denn die Aussicht auf Renditen nicht aufgeben möchten. Allerdings sollte dies immer im Bewusstsein der jeweiligen Risiken geschehen.

 

Das schleppende Wirtschaftswachstum bietet keine optimalen Voraussetzungen, dennoch: Wo sehen Sie sinnvolle Anlagemöglichkeiten für „OttoNormalsparer“?

Mauricio Vargas: In Europa gibt es auch Lichtblicke. So überraschen einige Krisenländer mit guten Wachstumszahlen – sogar Griechenland. Dennoch bleibt die Lage in Europa insgesamt angespannt. Für den Durchschnittssparer bedeutet dies, entweder Abstriche bei den Erträgen in Kauf zu nehmen, oder aber sich in risikoreicheren Anlagen zu engagieren. Es gibt also keinen Königsweg. Die Risiken der Assetklassen scheinen zu wachsen.


Gilt die alte Regel nicht mehr, dass man auf einen Mix verschiedener Anlageprodukte setzen sollte?

Mauricio Vargas: Diversifikation ist als Instrument zur Risikoreduktion entscheidend. Gerade ür Kleinsparer ist es besonders wichtig, auf die Diversifikation zu achten. Sie sollten daher auf die Auswahl weniger Einzeltitel verzichten und beispielsweise über Fonds auf einen breiten Korb an Emittenten setzen. Zudem spielt auch die „örtliche“ Diversifikation im Niedrigzinsumfeld eine größere Rolle. Zu viele Anleger investieren nach wie vor ausschließlich in Europa.

 

Viele Menschen haben den Durchblick bei den Spar- und Anlagemöglichkeiten verloren. An welche „Richtschnur“ kann man sich halten?

Mauricio Vargas: Die Regel sollte immer heißen, dass man nur kaufen sollte, was man auch versteht! Speziell mit Blick auf die Risiken sollte Klarheit herrschen. Die Informationsbeschaffung ist sicherlich manchmal mühsam, aber unerlässlich. Im Zweifelsfalle sollte man die Finger von Investments lassen, von denen man nicht zu 100 % überzeugt ist.

Welche Bedeutung sehen Sie im Aufbau einer privaten Zusatzvorsorge bzw. in der Einzahlung in einen privaten Zusatzrentenfonds?

Mauricio Vargas: Die Sinnhaftigkeit der Zusatzvorsorge hängt im Wesentlichen von der spezifischen Lebenssituation ab. Generell sollte man sich jedoch nicht vollständig auf die staatlichen Vorsorgesysteme verlassen. Auch hier gilt, dass die Diversifikation der Vorsorgeansprüche grundsätzlich sinnvoll ist.

Dr. Mauricio Vargas

Dr. Mauricio Vargas ist Volkswirt bei Union Investment in Frankfurt, der Investmentgesellschaft der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. Er verantwortet die Erstellung regelmäßiger Ratings von 100 Ländern und ist thematisch auf Finanz-, Währungs- und Staatsschuldenkrisen spezialisiert. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Arbeit stellt die volkswirtschaftliche Analyse der Emerging Markets dar.

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