Ausgabe 06/18 -

Helfen und spenden

Armut ist ein gesellschaftliches Phänomen mit vielen traurigen, oft verborgenen Gesichtern, auch im wohlhabenden Südtirol. Bedürftigen Menschen zu helfen und Notsituationen zu bewältigen, kann nur gemeinschaftlich zwischen der öffentlichen Hand und der Bevölkerung gelingen. Die Schlanderser Tafel ist eines von vielen Beispielen, wie man mit einfachen Mitteln große Hilfe leisten kann.

Foto: Armin Huber

Schlanders ist mit seinen rund 6.000 Einwohnern keine dieser Großstädte, in denen wir gern Not und das Elend vermuten. Schlanders ist ein mittelgroßes Dorf im reichen Südtirol. Trotzdem kommen in Schlanders und Umgebung rund 160 Menschen mit ihrem Einkommen nicht über die Runden. Noch auffälliger wird dies in der Weihnachtszeit: Während sich das wohlhabende Südtirol auf das alljährliche Weihnachtsgelage vorbereitet, nehmen viele Menschen dankbar die Lebensmittelspenden der Schlanderser Tafel entgegen, die sie einmal pro Woche bekommen.

 


Armut hat viele Gesichter

Gründe für den Bedarf gibt es zuhauf. Viele Senioren kommen, die mit einer kleinen ­Rente und hohen Mieten leben müssen. Geringe Einkommen und hohe Lebenshaltungskosten sind neben einer starken Privatverschuldung typische Verursacher von Armut in Südtirol. Immer öfter sind auch Trennungen ein Grund, unter die Armutsgrenze zu rutschen, leider auch für Kinder. „Ein Drittel der Betreuten sind Kinder“, berichtet Monika Wielander Habicher, ­Gemeindereferentin und Organisatorin der Schlanderser Tafel. Mittlerweile gelten laut dem Landesstatistik­institut ASTAT rund 17 Prozent der Südtiroler Haushalte als armutsgefährdet, besonders betroffen sind Alleinerziehende, ­Rentner und kinderreiche Familien.

Unterstützung leisten

Renate und Andrea sind zwei der 14 Frei­willigen, die bei der Schlanderser Tafel mitarbeiten. Sie holen mit ihren Autos die Lebensmittel in Bäckereien und Geschäften ab und verteilen sie dann gleichmäßig auf Kartonschachteln. Eine Schachtel pro Familie, in die – je nach Familiengröße und ein wenig auch nach persönlichen Vorlieben und Abneigungen – die Lebensmittel gepackt werden. Bald werden ihre Klienten kommen und ihren Anteil abholen. Nötig ist diese Unterstützung nicht nur in Schlanders. In vielen Orten Südtirols sind in den vergangenen Jahren Tafeln entstanden. Sie verteilen Lebensmittel in einwandfreiem Zustand, die sonst wegge­schmissen würden. Darunter zum Beispiel Obst und Gemüse von den Erzeugergenossenschaften, das für den normalen Verkauf nicht geeignet ist.

Freiwillige Helfer der Schlanderser Tafel
Lebensmittelpaket der Schlanderser Tafel wird von freiwilligen Helfern befüllt
Lebensmittelpaket der Schlanderser Tafel
Lebensmittelpaket der Schlanderser Tafel

Die freiwilligen Helferinnen holen mit ihrem Auto die Lebensmittel in Bäckereien und Geschäften ab … und verteilen diese auf Kartonschachteln.

Fertig ist jetzt das Lebensmittelpaket,

das an Bedürftige verteilt wird.

Südtiroler Vinzenzgemeinschaft

Die Schlanderser Tafel ist Teil der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft. Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich – überall da, wo sie gebraucht werden: sie besuchen Häftlinge, kranke und alte Menschen, geben Nachhilfekurse, betreuen mehrere Tafeln im ganzen Land und versuchen für Obdachlose ein medizinisches Versorgungssystem aufzubauen. Sie helfen, wenn Mieten, Strom-, Gas- und Müllrechnungen nicht mehr bezahlt werden können und Zwangsräumungen drohen. „Wir kümmern uns um die Menschen am Rande der Gesellschaft. Um jene, für die sich sonst niemand zuständig fühlt“, sagt Josef Haspinger, Zentralratspräsident der Südtiroler Vinzenzgemeinschaft.
Treffen kann es jeden, das Schicksal schlägt oft überraschend zu. Haspinger erzählt vom Unternehmer, der in Konkurs ging, heute in einer Sozial­wohnung lebt und „dank“ der ­Mindestrente kein Geld für Strom hat. Oder vom Freiberufler, der nach der ­Wirtschaftskrise unter der Brücke landete. Meist wird mit Sachspenden geholfen, Suppe und Obst, Kleider und Decken. Bargeld gibt es nur selten. „Wir ­schauen, was die Menschen brauchen, jetzt gleich“, sagt ­Haspinger, „und dann, was ihnen nottut, damit sie im Idealfall in die Selbstständigkeit zurückfinden.“ Denn Geld verteilen allein löst keine Probleme, es braucht auch Zuwendung und Empathie – das wissen sie bei der Vinzenz­gemeinschaft.

Spendenfreudige Südtiroler

Initiativen wie die Vinzenzgemeinschaft und die Schlanderser Tafel sind Ausdruck der Spenden­bereitschaft der Südtiroler (siehe Interview unten). Die Vinzenzgemeinschaft bekommt keine öffentlichen Beiträge und finanziert sich ausschließlich über Spenden. Alle Leistungen im Verein werden ehrenamtlich erbracht. „Ich bin zufrieden mit dem Spendenaufkommen“, sagt Haspinger. „Wir bekommen viele kleine Spenden, die zwar einen großen Verwaltungs­aufwand bedeuten, aber ich freue mich über jeden Beitrag.“ Und es kommen zwischendurch auch immer wieder größere Beträge.
Die Zettelwirtschaft belastet auch die Schlanderser, jede Lieferung muss dokumentiert und die Verfallsdaten kontrolliert werden. Dabei hilft der „Banco Alimentare“. Der italienweit operierende Verein ist die Dachorganisation der Tafeln und organisiert den Großteil der Bürokratie, verteilt aber auch selber Lebensmittel. Und der Bedarf steigt: Allein 2017 verteilte die Organisation 1,4 Millionen Kilogramm Lebensmittel an knapp 20.000 Personen in der Region. Zum Vergleich, 2005 waren es „nur“ 200.000 Kilo für 4.500 ­Personen.

Hilfe, die ankommt

In Schlanders kommen nach und nach die ­Menschen, um ihre Lebensmittel abzuholen. ­Jeder bekommt seine Ration, keiner sieht, was der andere bekommt, so soll Neid gar nicht erst aufkommen. Ein paar Stunden pro Woche wendet jede und jeder Freiwillige für die Tafel auf – die Freude und Befriedigung machen den Aufwand mehr als wett, sagen Renate und ­Andrea. Nicht zuletzt jetzt zu Weihnachten. Denn mit den Geldspenden, welche die Schlanderser Tafel manchmal bekommt, machen sie ab und zu ein kleines Geschenk, besonders den Kindern: ­Holzfarben zum Schulanfang, mal ein Glas Streichschokolade oder ein ­kleines Weihnachtsgeschenk. Und so wird mit der Vater-unser-Bitte „Unser tägliches Brot gib uns heute“ wirklich, was im übertragenen Sinn jeder Mensch braucht: Güte, Wohlwollen, Hilfe und Solidarität.

 

Spendenkonto: Südtiroler Vinzenzgemeinschaft
Raiffeisen Landesbank Südtirol AG
IBAN IT 52 I 03493 11600 000300220230

„Die Ehrlichen schützen“

„Sicher Spenden“ (www.spenden.bz.it) ist ein System zur Zertifizierung für gemeinnützige Organisationen mit Sitz in Südtirol, welche zur Finanzierung ihrer Tätigkeiten Spenden sammeln. Georg Leimstädtner erklärt, wie das System funktioniert.

Georg Leimstädtner ist Geschäftsführer des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit. Der Dachverband übernimmt als übergeordnete Organisation die Vertretung, Vernetzung und Erbringung von Dienstleistungen für seine Mitgliedsvereine.

Herr Leimstädtner, was ist die Idee hinter „Sicher Spenden“?
Georg Leimstädtner: Wer spendet, soll Gewissheit über die Verwendung seiner Spende haben. Leider sehen wir immer wieder zweifelhafte Spendensammlungen. Durch die Spende und die ­Angabe des Namens wird man zahlungspflichtiges Mitglied in einem suspekten Verein, von dem es nur eine Handynummer gibt. So wird die Gutgläubigkeit der Menschen ausgenutzt. Dem wollen wir entgegentreten und die ehrlichen Spendensammler schützen.

Wie läuft das ab?
Georg Leimstädtner: „Sicher Spenden“ hat drei Träger: Den Dachverband für Soziales und Gesundheit (DSG), den Verband der Sportvereine Südtirols (VSS) und die Organisation für Eine solidarische Welt (OEW). Der Dachverband kümmert sich um die Verwaltung. Die Trägerorganisationen legen die Kriterien fest, eine unabhängige Garantiekommission aus Experten prüft jedes Jahr, ob die Transparenz gewährleistet ist.

 

Wie komme ich als Spender zu diesen Informationen?
Georg Leimstädtner: Es gibt ein öffentlich einsehbares Verzeichnis der zertifizierten Organisationen „Sicher Spenden“, in dem all jene Einrichtungen eingetragen sind, welche die entsprechenden Kriterien erfüllen und für „Sicher Spenden“ zertifiziert worden sind. Nur diese dürfen das Siegel „Sicher Spenden“ verwenden.

Wer kann mitmachen?
Georg Leimstädtner: Alle gemeinnützigen Organisationen mit Sitz in Südtirol, die Spenden sammeln. Heute bereits zertifiziert sind u. a. die Vinzenzgemeinschaft, die Caritas und die Südtiroler Ärzte für die Welt.

 

Wie ist die Spendenbereitschaft der Südtiroler?
Georg Leimstädtner: Die Spendenbereitschaft ist hierzulande sehr groß. Selbst in der Wirtschaftskrise gingen die Spenden nicht zurück. Das Teilen ist bei den Südtirolern tief verwurzelt.

 

Gibt es einen Wermutstropfen?
Georg Leimstädtner: Ja, der Spendenmarkt ist leider manchmal etwas ungerecht. Bestimmte Gruppen tun sich leichter mit dem Spendensammeln als andere.